Cheryomushki - Cherry Town

Cheryomushki - Cherry Town    

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Medium: DVD

Bemerkungen:   1958, mitten im schönsten schönsten Tauwetter, wurde Dmitrij S?ostakovic? vom Leiter des Moskauer Operettentheaters gebeten, ein Stück für das Haus zukomponieren. Nach seinen furchtbaren Erfahrungen im Januar 1936, als eine Inszenie-
rung seiner Oper „Lady Macbeth von Mcensk“ Stalin so sehr missfiel, dass er S?ostakovic? in Ungnade stürzte, hatte er sich vom Musiktheater fern gehalten und auf Sinfonien, Konzerte,
Kammer- und Filmmusik konzentriert. Dennoch nahm er den Auftrag an und schuf so seine
einzige Operette, „Moskva, C?eremus?ki“, eine wundersame Verbeugung vor Jacques Offenbach
voller ironischer Zitate auf allgemein geläufiges Kulturgut („Schwanensee“ etwa), wie auch auf eigene Lieder, darunter jenen Ohrwurm der 1930er Jahre, den er für Vstrec?nyj (Der Gegenplan, 1932, Fridrich E.rmler, Sergej Jutkevic?, Leo Arns?tam) komponiert und mehrfach wiederverwertet bzw. variiert hatte. Ganz im Zeitgeist erlaubten sich S?ostakovic? und seine Librettisten Michail C?ervinskij und Vladimir
Mass gewisse kritische Freiheiten in der Fabel: „Moskva, C?eremus?ki“ erzählt in aller Zuckrigkeit von einer Kultur alltäglicher Kleinkorruption
in einer Welt, die vielleicht doch mehr ein Traum ist als eine lebbare Realität – die UdSSR, ein Hirngespinst, klatschbunt und allen mensch-
lichen Schwa?chen zum Trotz viel zu gut, um
wahr zu sein.
Ein Land, wo es viele Menschen gibt wie die
liebe Lida, die im Museum für Stadtentwicklung
Tag für Tag ein Modell von C?eremus?ki abstaubt:
jenem schönen, modernen, neuen Wohnkomplex am Rande von Moskau, wo sie und ihr Vater gerne leben würden – woraus aber erst etwas wird, als ihnen buchstäblich die Decke überm Kopf zusammenfällt. Als sie mit Boris, der schwer in sie verliebt ist, aber natürlich nicht so recht raus will mit der Sprache, nach
C?eremus?ki fährt, um sich die neue Wohnung anzuschauen, finden sie darin einen schwieme-
ligen Bürokraten, der unbedingt eine tolle Wohnung für sich und sein Frauchen braucht.
Auch solche Menschen gibt es in diesem Land, nur wenige, aber die machen das Leben nicht
leichter. Was tun? Tanz und Gesang und die Bank der Wahrheit werden es schon richten ...
Gerbert Rappaport machte mit C?eremus?ki stilistisch und im Grunde auch inhaltlich da
weiter, wo er ein Jahr zuvor in der springlebendig ausgelassenen Kurzsatire auf die verschlun-
genen Verstrickungen bürokratischer Verbohrtheit wie verqueren Spekulantentums, Kak
verevoc?ka ni v’etsja, aufgehört hatte,– diesmal in abendfüllender Inbrunst mit zum Teil delirie-
renden Farben (das Lila des Wahnsinns, das Gelb der Extase) und voller bizarrer Tanz-und-Gesangs-Nummern bzw. Pantomimen (siehe etwa den Traum von den beschwingten
Möbeln). C?eremus?kiist dabei in der Geschichte selbst nicht gar so offensiv in seiner Kritik wie das Original – 1962 fröstelte es schon wieder in der UdSSR –, dafür sagt die Inszenierung in ihrer ganzen Verstiegenheit viel uüber die Realität des post-stalin’schen sozialistischen Realismus. Bezeichnend ist auch, dass Rappaport den Stoff als Musical anpackte statt als Musikkomödie bzw. Operette: dass er also, wieder einmal, mit einem Genre arbeitete, das dem sowjetischen Kino bis dahin weitestgehend fremd war und in der Folge auch bleiben wird.
Das Musical ist hier somit vielleicht: die Verkörperung einer Sehnsucht nach Veränderungen.
(Wurm/Möller)

(Quelle: Diagonale.at)

DVD DETAILS:
DVD-9; RC 0
Hauptfilm in Farbe, 4:3
Sprache: Russisch (LPCM)
Untertitel: Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Chinesisch
Extras:
Biografie Shostakovich
Ausschnitt aus Shostakovichs KATERINA IZMALLOVA (10 Min)
Ausschnitt aus SHOSTAKOVICH AGAINST STALIN